Die neuseeländische Gewichtheberin Laurel Hubbard schreibt Sportgeschichte: Sie ist die erste Transgender-Athletin, die an Olympischen Spielen teilnehmen wird. In Tokio wird Hubbard in wenigen Wochen in der 87-Kilo-Kategorie der Frauen für Neuseeland antreten. "Ich bin dankbar und demütig ob der Freundlichkeit und Unterstützung, die mir von so vielen Neuseeländern entgegengebracht wurde", sagte die 43-Jährige in einer Erklärung, die das Neuseeländische Olympische Komitee am Montag veröffentlichte.
Ihre Olympia-Teilnahme ist trotz vehementer Kritik regelkonform: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) änderte 2015 die Regeln und erlaubte es damit Transfrauen, deren Testosteronspiegel unter einem festgelegten Schwellenwert liegt, an den Wettkämpfen der Frauen teilzunehmen. Hubbards Testoteronwert liegt unter dieser Marke.
Kritiker:innen sehen in Hubbards Olympia-Teilnahme ungeachtet dessen einen unfairen Vorteil für die Athletin gegenüber weiblich geborenen Teilnehmerinnen: Sie verweisen auf die biologischen Vorteile derjenigen, die als männlich Geborene die Pubertät erlebt haben und damit beispielsweise über eine erhöhte Knochen- und Muskeldichte verfügen. Für die belgische Gewichtheberin Anna van Bellinghen, die in derselben Kategorie wie Hubbard antreten wird, ist die Teilnahme der Neuseeländerin "ein schlechter Scherz". Sie unterstütze die Trans-Community zwar voll und ganz, Inklusion sollte jedoch nicht "auf Kosten anderer" geschehen, sagte van Bellinghen im Mai. "Jeder, der Gewichtheben auf hohem Niveau trainiert hat, weiß: Diese besondere Situation ist unfair gegenüber dem Sport und den Athletinnen", so sie Sportlerin weiter. "Einige Athletinnen werden so lebensverändernde Chancen verpassen – Medaillen und Olympiaqualifikationen – und wir sind machtlos."
Schon in der Vergangenheit hatte Laurel Hubbards Teilnahme an Wettbewerben der Frauen für Kontroversen gesorgt: Bereits 2018 hatte der australische Gewichtheberverband versucht, Hubbard von den Commonwealth Games an der australischen Goldküste ausschließen zu lassen – der Antrag wurde jedoch zurückgewiesen. Ein Jahr später gewann Laurel Hubbard bei den Pazifikspielen in Samoa eine Goldmedaille und schlug damit eine Athletin des Gastgeberlandes. Ihr Sieg sorgte für Empörung. Samoas Gewichtheber-Chef behauptet seitdem, die Auswahl der Neuseeländerin für Tokio sei so, als würde man den Athletinnen "Doping" erlauben. Bis zu ihrem Outing als transsexuell im Jahr 2013 war Hubbard in Männerwettkämpfen angetreten.
Trotz der vehementen Kritik sprachen sich sowohl die neuseeländische Regierung als auch die oberste Sportbehörde des Landes für Hubbards Teilnahme aus. "Laurel gehört nicht nur zu den weltbesten Athletinnen in ihrer Disziplin, sondern erfüllt auch die Kriterien der IWF, einschließlich derer, die auf den Richtlinien des IOC Consensus Statement für Transgender-Athleten basieren", sagte der Chef des neuseeländischen Olympischen Komitees, Kereyn Smith. "Wir erkennen an, dass die Geschlechtsidentität im Sport ein hochsensibles und komplexes Thema ist, das eine Balance zwischen Menschenrechten und Fairness auf dem Spielfeld erfordert." Gleichzeitig verwies er auf neuseeländische Werte: "Als neuseeländisches Team haben wir eine starke Kultur des 'manaaki' (Respekt) und der Inklusion und des Respekts für alle."
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